- Friedensnobelpreis 2000: Kim Dae Jung
- Friedensnobelpreis 2000: Kim Dae JungDer Südkoreaner wurde für den jahrzehntelangen Kampf um die Demokratie in seinem Land und für die Politik der Aussöhnung mit den anderen ostasiatischen Staaten geehrt.Kim Dae Jung, * Hayi-dŏ (Provinz Chollanam-do, Süd-Korea) 6. 1. 1924; seit 1960 Abgeordneter in der Nationalversammlung, 1970 Vorsitzender der Demokratischen Partei Koreas, ab 1971 mehrmals Präsidentschaftskandidat, 1973-82 mit Unterbrechungen im Gefängnis/unter Hausarrest, 1982-85 amerikanisches Exil, 1992 Promotion, 1995 Begründer der Oppositionspartei, 1997 Staatsoberhaupt der Republik Korea.Würdigung der preisgekrönten LeistungErschütternde Szenen spielten sich im Sommer und Herbst 2000 in Flughafenterminals und Hotels auf der koreanischen Halbinsel ab: Ehepartner, Geschwister und Freunde, die vor rund 50 Jahren im Lauf des Koreakriegs voneinander getrennt worden waren, durften sich erstmals wieder treffen. Bis dahin war die Grenze zwischen Nord- und Süd-Korea nahezu undurchlässig gewesen, hatten sich die beiden Staaten als unversöhnliche Feinde gegenübergestanden. Die Gespräche vom März 1997 und April 1999 waren ergebnislos geblieben, doch bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2000 in Sydney zogen die Mannschaften der Demokratischen Volksrepublik Korea und der Republik Korea zum ersten Mal gemeinsam in ein Stadion ein. Im Juni 2000 war eine historische Konferenz vorausgegangen: Kim Jong Il, der Staatschef Nordkoreas, und Kim Dae Jung, der Präsident der südkoreanischen Republik, trafen sich, um Schritte zur Versöhnung einzuleiten und eine mögliche Wiedervereinigung zu erörtern. Der Sieger der ersten fairen Präsidentschaftswahl in Süd-Korea hatte im Wahlkampf versprochen, »Gräben in diesem Land« zu überwinden und zum Abbau der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel beizutragen. Obwohl sich Nord- und Süd-Korea offiziell noch im Kriegszustand befinden, wird seit Beginn seiner Amtszeit wenigstens verhandelt, beispielsweise über Familienzusammenführung, wirtschaftliche Zusammenarbeit und den Ausbau der Verkehrsverbindungen über die Grenze hinweg. So äußerte das norwegische Nobelkomitee die Hoffnung, »dass der Kalte Krieg nun auch in Korea zu Ende gehen wird«.Ein Kampf auf Leben und TodIm Januar 1924 wurde auf einer kleinen Insel im äußersten Südwesten Koreas Kim Dae Jung als zweites von sieben Kindern einer Bauernfamilie geboren. Er wurde wegen seiner Bemühungen um Aussöhnung mit den verfeindeten kommunistischen Brüdern und Schwestern im Norden mitunter als »Koreas Willy Brandt« bezeichnet. Doch treffender ist vielleicht der Vergleich mit Nelson Mandela, denn wie der südafrikanische Politiker hat Kim Dae Jung jahrzehntelang für Demokratie und Menschenrechte im eigenen Land gekämpft — ein Kampf, der ihn für Jahre ins Gefängnis brachte und mindestens dreimal beinahe das Leben gekostet hätte. Nach außen hin war Süd-Korea nach dem Ende des Koreakriegs (1953) ein demokratischer Staat. In Wirklichkeit unterschieden sich die süd-koreanischen Präsidenten spätestens seit dem 1979 ermordeten General Park Chung Hee kaum von den Machthabern im Norden. Kim Dae Jung wurde während des Kriegs von den Kommunisten gefangen genommen und zum Tode verurteilt, konnte dann jedoch entkommen. Dank massiver Wirtschafts- und Militärhilfe der USA wurde Süd-Korea zwar in der Nachkriegszeit zum antikommunistischen Bollwerk und zu einer der führenden Wirtschaftsmächte Ostasiens ausgebaut, doch die brutale Unterdrückung oppositioneller Gruppen und ständige Missachtung der Menschenrechte waren der Preis. Die Militärdiktatoren Süd-Koreas scheuten beim Vorgehen gegen Kim Dae Jung, der seit den 1950er-Jahren mit Hungerstreiks und Straßenprotesten für demokratische Reformen kämpfte, auch vor Mordanschlägen nicht zurück. Im Frühjahr 1971, als er sich erstmals als Herausforderer Park Chung Hees um das Amt des Staatspräsidenten bewarb, rammte ein Lastwagen auf einer Wahlkampftour seinen Wagen. Kim Dae Jung erlitt dabei Verletzungen, die ihn bis heute behindern. Zwei Jahre später wurde er von Mitgliedern des südkoreanischen Geheimdiensts in Tokio entführt und mit der Absicht, ihn im Meer zu versenken, auf ein Boot verschleppt. Der Mordanschlag scheiterte jedoch, weil ein Marinehubschrauber der USA über dem Boot auftauchte. 1980 versuchte Chun Doo Hwan den politischen Gegner auf legale Weise loszuwerden, ließ ihn wegen Hochverrats anklagen und zum Tode verurteilen, musste aber auf internationalen Druck die Todesstrafe in lebenslängliche, später in eine 20-jährige Haft umwandeln, die Kim Dae Jung zum Teil verbüßte.Der »ewige Verlierer« siegtIm Dezember 1982 durfte Kim Dae Jung in die USA ausreisen, wo er einige einflussreiche Freunde gewann. Diese sorgten dafür, dass er nach der Rückkehr nach Korea seine politischen Rechte wieder erlangte. Erfolg in der Politik konnte er damit allerdings nicht erreichen. 1987 und 1992 verpasste er bei den Präsidentschaftswahlen sein Ziel, wurde so zu einer Art »ewigem Verlierer«, der bald selbst an den Rückzug aus der Politik dachte, bis ihn im Dezember 1997 eine neue Strategie zum Erfolg führte. Zum einen wandelte sich der einstige »Abweichler« zum gemäßigteren Staatsmann, der von der eher konservativen koreanischen Gesellschaft und den mächtigen Wirtschaftsführern besser anerkannt wurde. Zum andern verstand er es aber auch, durch Zusammenarbeit mit anderen Parteien und Parteiführern (darunter einigen seiner Erzfeinde) die politische Basis zu verbreitern. Hinzu kam, dass Süd-Korea nach dem Aufstieg zu einer der führenden Wirtschaftsnationen Ostasiens in den 1990er-Jahren in eine schwere Wirtschaftskrise geriet, aus der nach Ansicht der Wählermehrheit nur ein eng mit den Gewerkschaften verbundener Politiker das Land ohne allzu scharfe soziale Einschnitte führen konnte.Die »Sonnenscheinpolitik«, die Kim Dae Jung seit seiner Amtsübernahme im Februar 1998 betreibt, hat zu einigen bemerkenswerten Erfolgen geführt. Auf dem Weg zum Frieden, zur Aussöhnung mit Nord-Korea, aber auch mit der einstigen Kolonialmacht Japan ist Süd-Korea große Schritte vorangekommen; die Wirtschaftslage hat sich verbessert, die korrupten Bande zwischen Verwaltung, Politik und den großen Konzernen wurden aufgelöst, und durch Amnestien sind innenpolitische Spannungen abgebaut worden. Andererseits prangern bis heute Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International Verletzungen fundamentaler Bürgerrechte an, und das Nationale Sicherheitsgesetz, mit dem die früheren Machthaber die Unterdrückung der Opposition rechtfertigten und unter dem auch Kim Dae Jung zu leiden hatte, ist nach wie vor in Kraft.P. Göbel
Universal-Lexikon. 2012.